Hast du das Gefühl, dass es immer schwerer wird, dich auf etwas zu konzentrieren?
Du bist nicht allein. Die Fähigkeit, längere Zeit bei einer Sache zu bleiben, scheint in unserer Gesellschaft immer mehr verloren zu gehen.
Ich erinnere mich noch genau an meine ersten Erfahrungen mit der Herzchakra-Meditation in den 1990er-Jahren. Damals war es für mich selbstverständlich, mich stundenlang in die sanfte Tiefe der Meditation zu versenken. Doch heute fällt das vielen meiner Kursteilnehmerinnen und Teilnehmer schwer.
In einer Zeit ohne soziale Medien und ständige digitale Ablenkung war es einfacher, sich auf einen Moment der Ruhe und Konzentration einzulassen. Heute, in einer Welt, die von Reizen überschwemmt wird, fällt es uns zunehmend schwer, länger bei einer Sache zu bleiben. Unsere Aufmerksamkeit wird ständig auf neue, schnell konsumierbare Inhalte gelenkt.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Was hat sich verändert?
In den späten 1990er-Jahren besuchte ich ein Seminar mit dem Titel „Einführung in das Internet“. Ja, solche Seminare gab es wirklich – und ja, ich war dabei! Das kommerzielle Internet steckte noch in den Kinderschuhen. Es war die Zeit von Netscape, piependen Modems und Telefonleitungen, die blockiert waren, sobald man sich ins Netz einwählte.
Ich erinnere mich noch gut, wie wir alle um die wenigen Computer saßen, neugierig darauf, was diese neue Technologie bringen würde. Es gab ein paar Firmen, die schon online waren, ein paar Suchmaschinen (die Google längst nicht das Wasser reichen konnten), und hier und da ein Forum, in dem wild diskutiert wurde.
Damals waren wir fasziniert von der neuen Technologie, aber das Internet war noch in seiner kindlichen Phase. Es war eine langsame, bewusste Entdeckung. Heutzutage, mit der ständigen Verfügbarkeit von Informationen, wird uns das gleiche Internet mit einer Geschwindigkeit und Intensität serviert, die kaum noch Raum für langsame, vertiefte Erfahrungen lässt.
Heute, knapp drei Jahrzehnte später, sieht die Welt ganz anders aus. Ein Dauerfeuer aus Infos, Bildern und Videos bombardiert uns sekündlich – TikTok und Co. sei Dank. Und unsere Aufmerksamkeitsspanne? Schrumpft dabei schneller als ein schlecht gewaschener Wollpulli.
Plattformen wie TikTok, Instagram und Co. haben die Art und Weise, wie wir Inhalte konsumieren, revolutioniert. Ein Video dauert dort oft nur wenige Sekunden, und es ist speziell darauf ausgelegt, unsere Aufmerksamkeit sofort zu fesseln: laute Musik, schnelle Schnitte, grelle Farben.
TikTok und ähnliche Plattformen nutzen ausgeklügelte Algorithmen, um uns immer wieder mit Inhalten zu versorgen, die uns interessieren. Und wenn ein Clip endet? Das nächste Video startet automatisch. Ohne Pause. Ohne Entscheidung.
Studien zeigen, dass die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen heute bei etwa 8 Sekunden liegt – kürzer als die eines Goldfischs. *
Aber warum ist das so? Und was bedeutet das für uns als Gesellschaft?
Das Ergebnis:
Unser Gehirn wird darauf trainiert, immer kürzere Inhalte zu bevorzugen. Jedes Mal, wenn wir ein neues Video sehen, schüttet unser Gehirn Dopamin aus – das Glückshormon. Dieser schnelle Belohnungseffekt macht süchtig. Wir wollen immer mehr, immer schneller, immer bunter.
Diese Veränderungen in der Medienlandschaft betreffen nicht nur unsere Unterhaltungsgewohnheiten, sondern haben auch weitreichende Konsequenzen für unser Leben. Die ständige Reizüberflutung und die schnelle Belohnung, die durch diese Medienformate ausgelöst wird, machen es immer schwerer, uns auf langfristige Ziele zu konzentrieren und tiefere, nachhaltigere Erfahrungen zu machen.
Das Problem betrifft nicht nur soziale Medien. Auch klassische Unterhaltungsformate haben sich angepasst.
Ein Beispiel: Fernsehfilme und Serien. Vor 20 Jahren waren Szenen oft länger, der Handlungsbogen gemächlicher. Heute sehen wir rasante Schnitte, parallele Handlungsstränge und Cliffhanger an jeder Ecke. Unser Gehirn ist ständig in Alarmbereitschaft, weil es denkt: „Ich darf nichts verpassen!“
Und genau das verändert, wie wir denken und fühlen. Wir verlernen, uns auf komplexe, längere Inhalte einzulassen.
Die Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne ist mehr als nur eine lästige Nebenwirkung. Sie hat tiefgreifende Konsequenzen:
Während viele Erwachsene noch eine Zeit ohne Smartphones und soziale Medien erlebt haben, wachsen Jugendliche heute in einer völlig anderen Welt auf. Ihr Alltag wird oft von Bildschirmen dominiert – vom Smartphone über Tablets bis hin zu Gaming-Konsolen.
Das Ergebnis? Weniger Bewegung, weniger Zeit im Freien und ein steigendes Risiko für körperliche und mentale Probleme. Viele Jugendliche verbringen Stunden auf TikTok, Instagram oder Snapchat, was nicht nur ihre Aufmerksamkeitsspanne, sondern auch ihre sozialen Fähigkeiten beeinträchtigen kann. Ich kann es sehr gut verstehen, warum Kritiker diese Plattformen sogar „asoziale Medien“ nennen.
Studien legen nahe, dass exzessiver und früher Medienkonsum das Risiko für Konzentrationsprobleme erhöhen kann. Die ständige Reizüberflutung, die Smartphones und soziale Medien erzeugen, kann ähnliche Symptome wie ADHS hervorrufen oder bestehende Probleme verstärken. Kinder und Jugendliche, die Stunden vor dem Bildschirm verbringen, gewöhnen sich daran, dass ständig etwas passiert – und verlieren die Fähigkeit, sich über längere Zeit auf ruhigere Aktivitäten zu konzentrieren. **
Gleichzeitig geht die Zeit, die früher für Bewegung und andere wichtige Entwicklungsfaktoren genutzt wurde, oft verloren. Kinder und Jugendliche sitzen mehr und bewegen sich weniger – ein Risikofaktor für Übergewicht, aber auch für mentale Gesundheit.
Wie können wir gegensteuern?
Es ist wichtig, dass wir – als Eltern, Pädagogen und Pädagoginnen oder einfach als Erwachsene, die Verantwortung übernehmen – Jugendlichen Alternativen bieten. Gemeinsame Aktivitäten in der Natur, Sport oder kreative Projekte können helfen, einen Ausgleich zu schaffen. Und ja, auch ein bewusster Umgang mit digitalen Medien kann geübt werden.
Indem wir Jugendlichen zeigen, wie wertvoll echte Erlebnisse abseits von Bildschirmen sind, können wir ihnen helfen, einen gesunden Umgang mit der digitalen Welt zu entwickeln – bevor sie von ihr überrollt werden.
Doch es gibt Hoffnung. Du kannst dich bewusst dafür entscheiden, dem Trend entgegenzuwirken. Du kannst deine Aufmerksamkeit zurückgewinnen.
Hier sind einige einfache Möglichkeiten, wie du das schaffen kannst:
Die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne ist nicht nur ein individuelles Problem – sie betrifft uns als Gesellschaft. Doch wir können gegensteuern, indem wir bewusster leben und konsumieren.
Es wird vielleicht nicht einfach, wieder länger konzentriert zu bleiben. Aber du wirst schnell merken, wie gut es dir tut. Du wirst sehen, wie sehr du dein Leben verbessern kannst, indem du deinen Fokus zurückgewinnst. Du wirst sehen, wie viel besser du dich fühlst – in deinem Alltag, in deinen Beziehungen und in deinem Kopf. Du kannst den Fokus zurückgewinnen. Der erste Schritt dazu bist du selbst.
Quellen:
* Goldfisch Studie von Microsoft Kanada aus dem Jahr 2015. Link zu Time.
** Zu den Themen ADHS und der Zusammenhang mit Medienkonsum gibt es zahlreiche Studien und wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Auswirkungen von Bildschirmzeit und digitalem Medienkonsum auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen befassen.
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