Psychische Gewalt ist nicht weniger schlimm
Psychische Verletzungen lösen in unserem Gehirn genau dieselbe Schmerzreaktion aus, als würde uns jemand mit dem Messer schneiden. Das Gehirn kennt keinen Unterschied! Da ist es kein Wunder, dass nicht nur Überlebende von körperlicher und sexualisierter Gewalt als Reaktion oftmals zu Betäubungsmitteln greifen, denn diese betäuben nicht nur körperliche sondern auch seelische Schmerzen. Psychische Gewalt in nicht weniger schlimm als körperliche oder sexualisierte Gewalt. Sie ist nur oft subtiler und wird manchmal tatsächlich nicht als solche wahrgenommen. Hier geht es um Anzeichen für psychische Gewalt, die du nicht ignorieren solltest.
Was ist psychische Gewalt?
Der Begriff der psychischen Gewalt findet eine besondere Präzisierung in der Istanbul-Konvention in Art. 33. (2011). Ziel der Istanbul-Konvention ist es, vorsätzliches Verhalten, das die seelische Unversehrtheit einer Person beeinträchtigt, unter Strafe zu stellen. Diese Beeinträchtigung kann durch Nötigung oder Drohung erfolgen. Schwerwiegend ist die Beeinträchtigung der psychischen Unversehrtheit, wenn es sich nicht um ein punktuelles Ereignis, sondern um ein, eine gewisse Zeitdauer andauerndes Verhaltensmuster handelt. (Henneberger, 2018)
Als psychische Gewaltanwendung sind Drohungen, Nötigungen, Freiheitsberaubungen, (Cyber-)Stalkng oder (Cyber-)Bullying anzusehen. Des weiteren gibt es auch subtilere Formen der psychischen Gewalt wie etwa Demütigungen, Äußerungen von Missachtung, Beleidigungen, Bloßstellen oder auch das Erzeugen von Drucksituationen und Schuldgefühlen mit schweren Folgen. Auch soziale Einschränkungen, wie die strenge Kontrolle von sozialen Kontakten des Opfers und Bevormundungen sind eine Form der psychischen Gewalt. Da psychische Gewalt weniger offensichtlich ist als körperliche Gewalt, wird das Aufdecken dieser erschwert. (Riebel, 2020).
Achte darauf, wenn das passiert
Es gibt viele subtile Anzeichen von psychischer Gewalt in Beziehungen, die du nicht ignorieren solltest, wenn du sie bemerkst. Im folgenden werde ich acht dieser Anzeichen näher beleuchten, damit du sie erkennen und darauf reagieren kannst, falls du selbst oder jemand, den du kennst, davon betroffen ist.
Isolation:
Eine häufige Form der psychischen Gewalt ist, wenn der Partner versucht, das Opfer von seinen Freunden und seiner Familie zu isolieren. Der Täter kann versuchen, das Opfer von sozialen Aktivitäten fernzuhalten oder es davon überzeugen, dass niemand ihm nahesteht oder es wirklich versteht. Durch Isolation wird das Opfer abhängig vom Täter und fühlt sich allein und isoliert. Schließlich kann der Täter das Opfer auch isolieren, indem er es von sozialen Aktivitäten und Freunden fernhält, um seine Kontrolle zu verstärken und das Opfer von der Außenwelt abzuschneiden.
Kontrolle:
Ein weiteres Anzeichen von psychischer Gewalt ist, wenn der Partner versucht, das Leben des Opfers zu kontrollieren. Dies kann sich durch ständige Überwachung äußern, bei der das Opfer ständig rechenschaftspflichtig sein muss. Der Täter kann auch Kleidungsvorschriften oder Verbote auferlegen, um das Opfer zu kontrollieren und seine Autonomie einzuschränken.
Kritik:
Psychische Gewalt kann auch in Form von ständiger Kritik und Herabwürdigung des Opfers auftreten. Der Täter nutzt diese Taktik, um das Selbstwertgefühl des Opfers zu untergraben und es zu manipulieren. Das Opfer wird kontinuierlich beleidigt, erniedrigt oder seine Leistungen werden herabgesetzt, um es in einem Zustand der Unsicherheit und Abhängigkeit zu halten.
Drohungen:
Drohungen sind ebenfalls eine Form der psychischen Gewalt. Der Täter kann dem Opfer damit drohen, es zu verlassen, ihm etwas anzutun oder sogar Selbstverletzung androhen, um das Opfer zu manipulieren und zu kontrollieren. Diese Drohungen erzeugen Angst und Unsicherheit beim Opfer und halten es gefangen.
Gaslighting:
Eine weitere subtile Form der psychischen Gewalt ist Gaslighting. Dabei wird das Opfer manipuliert und systematisch daran zweifeln lassen, was es sieht, hört oder fühlt. Der Täter verändert die Realität und stellt die Wahrheit des Opfers infrage, indem er es als irrational oder verrückt darstellt. Gaslighting zielt darauf ab, das Opfer zu verwirren und seine Selbstwahrnehmung zu zerstören. Beim Gaslightng wird das Opfer so manipuliert, dass es an seinem eigenen Verstand zweifelt und die Wahrheit infrage stellt.
Finanzielle Kontrolle:
Der Täter kann auch versuchen, das Opfer finanziell abhängig zu machen. Dies geschieht oft durch die Kontrolle des Geldes oder durch das Verhindern, dass das Opfer eine Arbeit findet oder finanziell unabhängig wird. Finanzielle Kontrolle schränkt die Freiheit des Opfers ein und erhöht seine Abhängigkeit vom Täter. Es wird dem Opfer erschwert, eigene Entscheidungen zu treffen und sich aus der toxischen Beziehung zu lösen.
Verweigerung von Intimität und Zuneigung:
Eine weitere subtile Form der psychischen Gewalt ist die Verweigerung von Intimität und Zuneigung. Der Täter kann dem Opfer das Gefühl geben, unerwünscht oder unattraktiv zu sein, indem er Intimität verweigert, sich emotional kalt und abweisend verhält oder abwertende Bemerkungen macht.
Manipulation der Realität:
Ein subtiler Aspekt psychischer Gewalt besteht darin, dass der Täter die Realität manipuliert, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Dies kann sich in Form von Lügen, Verzerrungen oder Verdrehungen von Ereignissen äußern. Durch diese Manipulation versucht der Täter, das Opfer zu verwirren und seine eigene Macht und Kontrolle aufrechtzuerhalten.
Schuldgefühle:
Psychische Gewalt beinhaltet oft das Erzeugen von Schuldgefühlen beim Opfer. Der Täter gibt dem Opfer die alleinige Schuld für alle Probleme in der Beziehung und acht es für alle negativen Ereignisse verantwortlich. Das Opfer fühlt sich schuldig und übernimmt die Verantwortung, was zu einem Gefühl der Unterlegenheit und Abhängigkeit führt.
Kenne deinen Wert
Psychische Gewalt ist eine ernsthafte Form der Gewalt, die oft unbemerkt bleibt und doch verheerende Auswirkungen auf die Betroffenen hat. Im Gegensatz zur körperlichen Gewalt ist psychische Gewalt subtiler und hinterlässt unsichtbare Narben, die oft schwer zu erkennen sind. Es ist wichtig, diese subtilen Anzeichen von psychischer Gewalt in Beziehungen zu erkennen und Konsequenzen zu ziehen. Du hast es verdient, gut behandelt zu werden. Niemals solltest du zulassen, dass dich eine andere Person in einer Beziehung so behandelt.
Literatur:
Ebert, J., Steiner, C. (2020). Gewalt an Frauen und Kindern in Deutschland
während COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen: Zusammenfassung der
Ergebnisse. Hochschule für Politik München, TUM School of Governance.
https://drive.google.com/file/d/19Wqpby9nwMNjdgO4_FCqqlfYyLJmBn7y/view
[10.01.2021].
Henneberger, J. (2018). Der Gewaltbegriff in der Istanbul Konvention. djbZ Zeitschrift des
Deutschen Juristinnenbundes, Jahrgang 21, Heft 4, S. 206-209.
Lembke, U., Steinl, L. (2018). Die Istanbul-Konvention – Ein Meilenstein für den Schutz
vor geschlechtsbezogener Gewalt. djbZ Zeitschrift des Deutschen Juristinnenbundes,
Jahrgang 21, Heft 4, S. 203-206.
Riebel, M. (2020). Die Corona Krise als Ursache häuslicher Gewalt? Neue Kriminalpolitik:
NK, Forum für Kriminalwissenschaften, Recht und Praxis, Jahrgang 20, Heft 3, S. 304-
320
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